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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: 11 UF 80/2000
Rechtsgebiete: BGB, BarwertV
Vorschriften:
BGB § 1587 b | |
BarwertV § 1 |
Beschluß
In der Familiensache
hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 25. Oktober 2000
durch die unterzeichneten Richter beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Leer vom 02.03.2000 im Ausspruch über den Versorgungsausgleich - Ziffer II - abgeändert.
Vom Rentenversicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (xxx) werden auf das Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (xxx) Rentenanwartschaften in Höhe eines Betrages von monatlich 230,59 DM, bezogen auf den 31.07.1999, übertragen.
Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe (Aktenzeichen xxx) werden auf dem Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (xxx) Rentenanwartschaften in Höhe eines Betrages von monatlich 8,28 DM, bezogen auf den 31.07.1999, begründet.
Es wird angeordnet, daß der Monatsbetrag der zu übertragenden und begründenden Anwartschaften in Entgeltpunkte umgerechnet wird.
Die Parteien tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie je 1/2 der weiteren im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu einem Beschwerdewert von 1.000,- DM.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Leer hat im Scheidungsverbundurteil vom 02.03.2000 den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien für die Ehezeit vom 01.10.1988 bis 31.07.1999 dahingehend durchgeführt, daß es zu Lasten der für den Ehemann bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bestehenden Rentenanwartschaften solche auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von monatlich 206,45 DM übertragen und weitere 8,28 DM zu Lasten seiner Versorgungsanwartschaften bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder begründet hat. Dabei hat es die Auskünfte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24.01.2000 für den Ehemann (557,71 DM), vom 16.11.1999 für die Ehefrau (144,81 DM) sowie der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 27.09.1999 für den Ehemann (16,57 DM - dynamisiert -) zugrundegelegt.
Gegen diese der Beteiligten zu 1. am 10.03.2000 zugestellte Entscheidung hat sie am 07.04.2000 Beschwerde eingelegt, weil bei der Auskunft der Antragsgegnerin zu Unrecht eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten - 01.09.1994 bis 31.08.1995 - erfolgt sei. Ohne diese Zeiten belaufe sich der Ehezeitanteil der Anwartschaften auf monatlich 96,54 DM. Die Antragstellerin hat bestätigt, daß die Kindererziehungszeiten dem Vater zuzuordnen seien.
II.
Auf die rechtzeitig eingelegte und damit zulässige Beschwerde war die angefochtene Entscheidung aus den zutreffenden Gründen des Beschwerdevorbringens abzuändern.
Der Versorgungsausgleich ist wie folgt durchzuführen:
1. Anwartschaftschaften des Ehemannes
a) gesetzliche Rentenversicherung
(Auskunft der BfA vom 24.01./25.05.2000) 557,71 DM,
b) Zusatzversorgung Öffentlicher Dienst
(Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
vom 27.09.1999 - dynamisiert -) 16,57 DM
insgesamt 574,28 DM.
2. Anwartschaften der Ehefrau
gesetzliche Rentenversicherung
(Auskunft der BfA vom 28.04.2000) 96,54 DM.
3. Den Differenzbetrag der beiderseitig erworbenen Anwartschaften von 477,74 DM
hat der Ehemann zur Hälfte, mithin in Höhe von 238,87 DM
auszugleichen.
Der Ausgleich ist nach § 1587 b Abs. 1 BGB zunächst in Höhe von (557,71 DM - 96,54 DM : 2) 230,59 DM zu Lasten der bei der Beteiligten zu 2. bestehenden Anwartschaften durchzuführen, im übrigen in Höhe von (238,87 DM - 230,59 DM) 8,28 DM nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Beteiligten zu 3..
III.
Der Senat hat bei der Umrechnung des Anrechts auf die statische VBL-Versicherungsrente -in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - die BarwertVO in ihrer geltenden Fassung angewandt, auch wenn insoweit gewichtige Bedenken erhoben werden (vgl. dazu im einzelnen Gutdeutsch/Glockner, FamRZ 1999, 896 und 2000, 270; Bergner, FamRZ 1999, 1487; aus der Rechtsprechung OLG München, FamRZ 1999, 1432 m.Anm. Bergner FamRZ 2000, 97f.; AG Kelheim, FamRZ 2000, 98; im Ergebnis weiterhin für die Anwendung der BarwertVO OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 538; OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 1019; OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1020):
1) Die Bedenken betreffen zunächst die Unterbewertung der umzurechnenden Anrechte wegen der geringeren Dynamik in der Rentenversicherung (die den der BarwertVO zugrunde liegenden Rechnungszinsfuß von 5,5 % nicht erreicht; vgl. dazu u.a. Gutdeutsch/Glockner, FamRZ 1999, 896, 898; Bergner, FamRZ 1999, 1487, 1488).
Sie werden verstärkt durch die grundsätzlichen Probleme, die sich aus dem "Transfer" von Anrechten in ein anderes Versorgungssystem ergeben, hier aus dem unterschiedlichen Leistungsspektrum (vor allem im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung; vgl. dazu u.a. Gutdeutsch/Glocker, a.a.O., 899; OLG München, a.,a.O., 1433), aber auch auf Grund des Wechsels von einer durch kapitalwertorientierte, versicherungsmathematische Rechengrößen (Barwert, Deckungskapital) bestimmten Bewertung zu rentenversicherungsspezifischen Rechengrößen (die insbesondere nicht an eine Verzinsung anknüpfen, sondern an die Einkommensentwicklung; vgl. OLG München, a.a.O.; Gutdeutsch/Glockner, a.a.O., 898 und ausführlich Klattenhoff, FamRZ 2000, 1263f.).
Hinzu kommt schließlich, worauf Klattenhoff (a.a.O.,. 1267f.) zu Recht hinweist, die auf der Nichtberücksichtigung der Teildynamik (vgl. dazu u.a. Staudinger/Rxxxx, 13. Bearb., 1998, § 1587 a, Rn. 456) beruhende Unterbewertung.
2) Alle Bedenken zusammen dürften die Beurteilung der BarwertVO als verfassungswidrig rechtfertigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die angedeuteten Probleme sich nicht notwendig kumulieren im Sinne einer einseitigen Benachteiligung des Ehegatten, der nicht Inhaber des nicht volldynamischen, umzurechnenden Anrechts ist. Wenn dieses Anrecht auf Seiten des Ausgleichsverpflichteten vorhanden ist und der andere Ehegatte infolge des Ausgleichs ein (zusätzliches) Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt, ist zumindest zu erwägen, ob der durch die Unterbewertung eintretende "Transferverlust" durch die spezifische, evtl. höherwertige Ausgestaltung der Rentenversicherung (teilweise) wieder ausgeglichen wird (Klattenhoff, a.a.O., 1264; dort auch - 1264, 1267, 1268 - zur abweichenden Beurteilung, wenn der Ausgleichsberechtigte Inhaber des nicht volldynamischen Anrechts ist mit der Folge einer bloßen Saldierung).
Die hier nur grob angerissenen und erst in jüngster Zeit vermehrt diskutierten Fragen sind - jedenfalls unter dem Aspekt einer die Verzahnung der einzelnen Problemkreise berücksichtigenden Gesamtlösung (zu einigen plausiblen Ansätzen vgl. Bergner, a.a.O., 1490; sie sind jedoch ergänzungsbedürftig, vgl. u.a. Klattenhoff, a.a.O., 1264 FN 105) - noch nicht überzeugend geklärt. Eine abschließende, angesichts der offenkundigen Defizite der BarwertVO al-lerdings schon jetzt dringend anzugehende Lösung (auch im Hinblick auf etwaige Auswirkungen auf das System der gesetzlichen Rentenversicherung; vgl. Klattenhoff, a.a.O., 1268) obliegt dem Gesetzgeber; er wird dabei ggf. auch eine Gesamtbereinigung der Bewertungsprobleme zu prüfen haben, etwa in Form einer grundsätzlichen Umgestaltung des den Versorgungsausgleich betreffenden materiellen und/oder Verfahrensrechts, nicht zuletzt unter dem Aspekt einer Entlastung der Praxis von teilweise nur vorläufigen, unter dem Vorbehalt der Korrektur stehenden Entscheidungen mit überdies häufig erst lange Zeit später (mit dem Versorgungsfall) eintretenden wirtschaftlichen Auswirkungen (zu einzelnen Vorschlägen vgl. Bergner, a.a.O., 1489f.).
3) Der Senat sieht sich nicht in der Lage, dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber vorzugreifen und die Vielzahl der letztlich noch offenen Probleme - abweichend von der BarwertVO - verbindlich zu klären durch die Aufstellung eigener, als Regelwerk für eine zumindest mittelfristige gleichförmige Anwendung geeigneter Tabellen mit dem Ziel einer "richtigen", gleichwohl praktikablen, d.h. in zulässiger Weise pauschalierenden Bewertung. Dies wäre ohnehin nur nach umfassender sachverständiger Beratung möglich.
Die vorhandenen Vorschläge von Gutdeutsch/Glockner (a.a.O.; vom OLG München, a.a.O., nur in wiederum modifizierter Form angewandt; deshalb zu Recht kritisch wegen der möglichen "Schwankungsbreite" bzw. "Bandbreite" einer individuellen Barwertbildung OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 1019, 1020; Klattenhoff, a.a.O., 1269 FN 167) stellen nach der zutreffenden Kritik von Bergner (a.a.O., 1489) allenfalls eine Teillösung in Bezug auf spezifische Bewertungsfragen bei der Anwendung der möglicherweise insgesamt entbehrlichen BarwertVO dar. Eine solche Teillösung (auf notwendigerweise unsicherer, in Rechtsprechung und Literatur schon jetzt umstrittener Grundlage) ist derzeit nach Auffassung des Senats allenfalls dann zu erwägen, wenn nur auf diese Weise unerträgliche und irreparable Verstöße gegen den Halbteilungsgrundssatz vermieden werden können. Dies kann im Einzelfall anzunehmen sein, wenn Anrechte nach Eintritt des Versorgungsfalls umzurechnen sind, insbesondere dann, wenn es um die Bewertung von Anrechten auf Seiten des Ausgleichsberechtigten geht, deren Unterbewertung zu einer zu hohen Ausgleichspflicht und damit zu einer ungerechtfertigten Kürzung laufender Versorgungen auf Seiten des Verpflichteten führen kann (vgl. Klattenhoff, a.a.O., 1267).
Ein derartiger Fall, in dem eine Modifizierung der BarwertVO (ggf. auf dem Wege über § 1587 c Nr. 1 BGB) zum Zwecke der Vermeidung aktuell eintretender individueller Härten erforderlich werden kann, ist hier nicht gegeben, weil es nicht um die Bewertung laufender Versorgungen geht.
Bei der Bewertung von Anwartschaften hält es der Senat (in Übereinstimmung mit dem OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 538; OLG Stuttgart, a.a.O.) für eine Übergangszeit für vertretbar, weiterhin die BarwertVO in der geltenden Fassung anzuwenden (ebenso Klattenhoff, a.a.O., 1269). Es erscheint hinnehmbar, die vom Gesetzgeber zu schaffende Neuregelung abzwarten und die "richtige" Bewertung dann im Rahmen eines Verfahrens nach § 10 a VAHRG vorzunehmen (OLG Nürnberg, a.a.O., 539; OLG Stuttgart, a.a.O.; Klattenhoff, a.a.O.; zu ergänzen den Vorschlägen bezüglich einer Neugestaltung des Abänderungsverfahrens vgl. Bergner, a.a.O., 1490.).
4) Der Senat hält es auch für zweckmäßig, das vorliegende Verfahren durch eine abschließende Entscheidung zu beenden, zumal eine Regelung durch den Gesetzgeber jedenfalls nicht unmittelbar bevorsteht (vgl. den durch eine eigene Anfrage des Senats bestätigten Hinweis in der Entscheidung des OLG Nürnberg, a.a.O., 538 zum Stand der Planungen im Bundesjustizministerium). Es erscheint nicht geboten, lediglich eine Teilentscheidung zu erlassen (so aber AG Kelheim, FamRZ 2000, 98f.), um auf diese Weise - unter Ausschaltung der Wesentlichkeitsgrenze des § 10 a VAHRG - den Weg offen zu halten für vergleichsweise geringfügige Modifizierungen der jetzigen Entscheidung auf Grund der künftigen Neuregelung durch den Gesetzgeber. Wenn die spätere Neubewertung (ggf. in Verbindung mit weiteren Veränderungen) nur zu einer Änderung unterhalb der genannten Grenze führen sollte, wäre dies im Ergebnis eine Bestätigung dafür, dass im konkreten Fall schon auf der Grundlage der noch geltenden BarwertVO der Versorgungsausgleich (im wesentlichen) richtig vorgenommen wurde, nämlich innerhalb der vom Gesetzgeber als hinnehmbar angesehenen Fehlertoleranz.
IV.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die BarwertVO in ihrer jetzigen Fassung weiterhin anwendbar ist, hat der Senat die weitere Beschwerde zugelassen (§ 621 e Abs. 2 i.V.m. § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 93 a ZPO, 17 a GKG.
Ende der Entscheidung
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